Geschichten zur Bordunmusik


Eines Tages saß Clootikins im Freien und spielte seine zauberhafte Musik, als ein Bienenschwarm auf der Suche nach einem hohlen Baum um ihn herumsurrte. Der Klang gefiel ihm so gut, dass er schnurstracks nach Hause ging und seinen Dudelsack mit einem Bordun ausstattete.

Aus: Brune, John: Piob Mhór und andere britisch-irische Sackpfeifen. In: Deutsch, Walter, Hrsg.: Der Bordun in der europäischen Volksmusik. Wien, 1981, S. 42


Der Hirte Yussuf war ein Meister im Spiel auf der Schilfrohrpfeife. Weithin war er als Musiker bekannt und beliebt. Er konnte mit seinem Instrument die verschiedensten Stimmungen ausdrücken: Freude, Trauer, Sehnsucht...
Nur er selbst war nicht ganz zufrieden. Yussuf war ein Suchender. Oft saß er stundenlang auf einem Hügel und übte auf seiner Rohrpfeife.
Und so geschah es, dass sich ihm eines Tages eine Biene näherte und mit lautem Summen seinen Kopf umkreiste. Nun fügte es sich, dass der Ton der Biene genau zu seiner gespielten Melodie passte und zu einem vollkommenen, fast überirdischen Klang verschmolz. Yussuf hatte das Gefühl, als hätte sich vollendet, was er immer schon gesucht hatte, er geriet geradezu in Trance und spielte - Zeit und Raum um sich vergessend.
Die Biene aber näherte sich immer mehr seinem Kopf, Yussuf griff unwillkürlich nach ihr, die Biene setzte sich auf seine rechte Wange und stach ihn. Nun war es vorbei mit der himmlischen Verzückung. Yussuf spürte einen stechenden Schmerz und schlug nach der Biene, welche von seiner Hand getroffen zu Boden fiel. Der Schmerz war bald überwunden, aber den Klang, den Yussuf vernommen hatte, konnte er nicht mehr vergessen. Der summende Ton, der seinem Instrument erst diese Vollkommenheit schenkte, ließ ihn nicht mehr los. Er überlegte, wie er dieses musikalische Erlebnis wiederholen könnte, ja er dachte sogar daran, eine Biene zu fangen und als seine musikalische Begleiterin überall hin mitzunehmen.
Schließlich kam er auf die Idee, den Ton der Biene mit einem Stück Schilfrohr mit eingeschnittener Zunge nachzuahmen und gleichzeitig seine Rohrpfeife zu spielen. Er probierte lange, bis es funktionierte. Nun hatte er endlich die Musik gefunden, die er so lange gesucht hatte. Yussuf war sehr glücklich.

Sepp Pichler, 2004